Nr. 50 - Februar 2018

Rundbrief an unsere Priesterfreunde.

Das Seminar gibt in unregelmäßigen Abständen einen Brief an die Priesterfreunde heraus.

Zaitzkofen, den 11. Februar 2018
Sonntag Quinquagesima; Fest der Erscheinung U.L.F. in Lourdes

 

Hochwürden, lieber Mitbruder,

der unauslotbare Reichtum des katholischen Priestertums wurde uns aufs Neue am 2./3. Februar hier im Seminar deutlich vor Augen geführt, als wir Zeugen der Spendung der Tonsur und der vier Niederen Weihen durch Bischof Tissier de Mallerais werden durften. Lesen Sie dazu die zwei sehr schönen, einfachen, aber tiefgehenden Predigten des Zelebranten.

Nach dem Konzil ist das katholische Priestertum durch viele falsche Lehren und Praktiken zutiefst erschüttert worden. Wir geben Ihnen hier eine Anzahl von Zeugnissen wieder, die mühelos durch andere Dokumente ergänzt werden könnten.

1. Wie wir Menschen leben - ein Religionsbuch von Herder, 1972,

herausgegeben mit der Imprimatur des Generalvikars Dr. Schlund: „Einige Christenhaben eine besondere Aufgabe: sie sollen allen Menschen in der Gemeinde dienen. Sie sollen die Gemeinde leiten. Das sind die Vorsteher der Gemeinde. Wir nennen sie Priester.“ (S. 74)

2. Theologisches Amtsverständnis und priesterliche Existenz, Dekanatsfortbildungskurs 1976 des Bistums Basel:

«– Die Christen der ersten Generation kamen nicht auf die Idee, die mit bestimmtenAufgaben Betrauten als ‚Priester‘ im Sinne eines sakralisierten Standes zu bezeichnen. – Jeder Glaubende, der sein Leben aus hl. Geist verwirklicht, wird„Pneumatikos“ – ‚Geistlicher‘ genannt... Christus ist der einzige wahre Priester derWelt (Hebr 9,26ff). Er ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen (1 Tim 2,5). Dieses Priestertum ist eschatologisch endgültig und hat ein für allemal Bestand. Esmuss also durch menschliche ‚Priester‘ weder weitergeführt noch ergänzt werden.»

3. Zur Zeit, Zeitschrift der Redemptoristen, Ausgabe Juli/August 1978, S. 6/7:

«Wir schlagen das Neue Testament auf, wir blättern und lesen, vergleichen und studieren – und wir sind überrascht! Vieles, was uns heute in der Kirche selbstverständlich ist, war in den Gemeinden der ersten Christen unbekannt. Es gab keinen Papst und keine Bischöfe, keine Priester und keine Unter- und Überordnung. Es gab keine Bindung der Gültigkeit von Messe oder Lossprechung an bestimmte Weihen. Es gab keine Forderung der Ehelosigkeit und keine kirchlichen Gewänder,keine Titel oder „Prozessionsordnungen“. Der absolute Grundsatz galt: „Ihr alle seid Brüder!“ (Mt 23,8) Zweite Feststellung: Auch dort, wo Aufgaben und Ämter sogenannt werden, wie wir sie heute nennen, geht es um etwas anderes. Oft bezeichnetz.B. „Bischof“ im Neuen Testament so etwas wie ein Mitglied des damaligenPfarrgemeinderates, und „Priester“ meint nicht mehr als etwa: „engagierter und bewährter Christ“. Wir dürfen den Text nicht mit der Brille moderner Kirchenleutelesen. Dritte Feststellung: Konkrete Tätigkeiten und praktische Aufgaben in den christlichen Gemeinden gibt es, und sie werden in Weisungen und Richtlinien erwähnt. Aber sie werden auch als Dienst und nur als Dienst empfunden. DerGrundsatz heißt: „Wer bei euch groß sein will, sei euer Diener!“ (Mt 20,26). Diedamals bekannten Wörter für Ämter in der Kirche werden im Neuen Testament vermieden. Nicht sich bedienen lassen, sondern ohne Einschränkung bis zur Lebenshingabe dienen – das ist Sinn der Ämter in der Kirche.» (P. Dr. Pesch)

4. Brief der Aktionsgemeinschaft Rottenburg an die Pfarrer in der Evangelischen Landeskirche Württemberg vom Frühjahr 1977

«Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Aktionsgemeinschaft Rottenburg, sind eine Vereinigung von 180 meist jüngeren Theologen im Dienst der Diözese Rottenburg, größtenteils Pfarrer in der Gemeindearbeit. (...) Wir anerkennen Sie alsVorsteherinnen und Vorsteher Ihrer Gemeinden und deren Gottesdienste und sehen in Ihnen Amtsträger gleicher Vollmacht und gleicher Verantwortung – bei allen Unterschieden der jeweiligen geschichtlichen und theologischen Bestimmtheit, diewir nicht verschweigen wollen. (...) Wir bedienen uns heute in der Regel derMuttersprache bei der Feier der Messe und wissen, dass für das sakramentale Zeichen das Wort der Verkündigung konstitutiv ist. Wir bemühen uns, den Charakter des Mahles sichtbar zu machen und die Versöhnung der Welt durch den Opfertod Jesu im Sinn des Hebräerbriefs zu begreifen; wir haben eine Opfertheorieaufgegeben [Hervorhebung durch uns], die den Eindruck erwecken konnte, Jesu Opfer am Kreuz müsse zu unserer Versöhnung mit Gott immer noch einmal dargebracht bzw. erneuert werden.»

5. Brief der Aktionsgemeinschaft Rottenburg an alle Kollegen im priesterlichen Amt, Januar 1981

«Liebe Mitbrüder, vor drei Jahren haben wir an unsere evangelischen Kollegen einen Brief geschrieben und sie gebeten, über die Amts- und Eucharistiefrage mit uns inein Gespräch zu kommen. (...) Was wir aber nicht verstehen, ist, dass die Kirchemeint, auf den Dienst verheirateter Priester einfach verzichten zu können. Wir sind sicher, dass manche Gemeinde bereit wäre, einen verheirateten Priester zu akzeptieren. Die ‚Tauglichkeit‘ des Priesters steht und fällt damit, ob er ein Mann desGlaubens ist; sie hängt nicht an einer bestimmten Lebensform. Entscheidend ist, ob er uneingeschränkt dem Evangelium dient oder nicht. Mit Nachdruck setzen wir uns dafür ein, dass in absehbarer Zeit Frauen zu Diakoninnen ordiniert werden. Nicht verstehen können wir, dass das Priesteramt auch in der Zukunft für Frauen grundsätzlich verschlossen bleiben soll. Wir verkennen nicht, dass man in dieserFrage psychologisch behutsam vorgehen müsste. (...)

Das Bußsakrament ist belastet durch eine formalistische und rigoristische Erziehung. Bei vielen, selbst überzeugten Christen spielt die Beichte kaum noch eine Rolle. Angesichts der heutigen Personallage müssen wir – so erschreckend das klingt – fast froh sein, nicht noch stundenlang im Beichtstuhl sitzen zu müssen. Zum andern hatdie unglückliche Diskussion über die „Gültigkeit“ der Bußfeier und damit verbunden ihre Abwertung nicht die Häufigkeit der einzelbeichte gefördert, höchstens die Zahlderer, die die gesamte Bußpraxis der Kirche aus ihrem Leben ausschließen. (...)

Wenn z.B. ein Katholik einen geschiedenen Protestanten nach der Scheidung kennenlernt und ihn heiraten möchte, können wir solcher Liebe keinen Stein in den Weg legen, sondern suchen Formen (Wortgottesdienst, Segen, Eucharistie), die beiden das Gefühl eben, nicht von der Kirche ausgeschlossen, sondern von ihr gesegnet zu sein. Wenn die Ehe eines Katholiken zerbricht und er – um sein Versagen wissend – dennoch einen neuen Weg wagen will, unter dem kein Dritter leidet, können wir ihm unseren Beistand nicht verweigern. Das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz. (...)

Wir verstehen Kollegen, die vor überstürzten Schritten warnen. Auch wir wollenkeine „Eintopf-Ökumene“. Aber es fällt uns schwer einzusehen, warum Christennoch immer keine eucharistische Mahlgemeinschaft praktizieren dürfen. Deshalb fragen wir, ob es nicht sinnvoll und richtig wäre, nach reiflicher Überlegung, von Fall zu Fall, auch Christen anderer Konfessionen zur Kommunion einzuladen. Bei Gottesdiensten in kleinen Gruppen, bei Trauungen, Erstkommunionfeiern und Firmgottesdiensten würden solche Schritte helfen, den Wert des Brotbrechens als Zeichen der Verbundenheit zu erkennen und so neu zu erfahren, was das Mahl des Herrn bedeutet.

Wo Christen praktisch zusammenarbeiten, sollten sie auch das gemeinsame Mahl feiern dürfen, wenn sie den Wunsch dazu haben. Wir sehen, dass die theologische Diskussion in der Eucharistie- und Amtsfrage noch nicht zur vollen Verständigung geführt hat, wir sehen aber auch, dass in den Gemeinden, wo man sich menschlichimmer näher kommt, viele den Kopf schütteln über „theologische Spitzfindigkeiten“. So begreift z.B. die jüngere Generation die nicht, die nur den „konfessionellen Besitzstand“ wahren wollen. Wir nehmen ihr durch ein zu enges Konfessionsdenkennur noch die Chance, das bleibend Positive der eigenen und der anderen Konfession zu erkennen und anzunehmen.

Wir fragen, warum ökumenische Gottesdienste, die bisher nur als Wortgottesdienste zugelassen sind, nicht gelegentlich als Sonntagsgottesdienst der Gemeinden gefeiert werden dürfen. Alle, die in ökumenisch offener Weise tätig sind, haben unsere volle Unterstützung. Wo gerät unsere Kirche hin, wenn wir schon bei kleinen Schritten der Hoffnung uns behindern, statt uns gegenseitig dabei zu stärken! Wir sehen, dass in der evangelischen Kirche die Einsicht in die Bedeutung der sakramentalen Zeichen, auch des Mahles, wächst. Die gegenwärtige Situation in unserer Kirche blockiert jedoch ein Entgegenkommen.

Wir wissen, wie wichtig es ist, als Christ in einer Kirche beheimatet zu sein. Wir legen Wert darauf, dass Eltern ihre Verantwortung in der religiösen Kindererziehung wahrnehmen. Aber wir bezweifeln, dass die Formulierung der Frage nach der Kindererziehung im Eheprotokoll ökumenisch vertretbar ist. Wir meinen schließlich, dass es höchste Zeit ist, die diskriminierenden Bestimmungen für kirchliche Bedienstete in bekenntnisverschiedenen Ehen fallen zu lassen, und zwar in beiden Kirchen.»

6. Anfang 1995 hielt Prof. Dr. Hilberath von der theologischen Fakultät der Universität Tübingen in Hechingen einen Vortrag, von dem die Hechinger Zeitung am 8.3.1995 so berichtet:

Man sollte Amtsträger nicht Priester nennen

Über eine Neubestimmung des Amts in der Kirche referierte Prof. Dr. Hilberath

Brauchen wir ein Amt in der Kirche? – Dass diese Frage heute Thema eine öffentlichen Vortrags sein kann, haben wir dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu verdanken. Wenn in der christlichen Gemeinde alle von Gott berufen, alle von Christus gesandt sind, wie es das Konzil betont hat, dann ergibt sich daraus tatsächlich eine Existenzfrage des Priestertums in der katholischen Kirche.

Prof. Dr. Bernd Jochen Hilberath, Lehrstuhlinhaber für Dogmatik an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, ging in einem rhetorisch brillanten Vortrag vor nahezu vollbesetztem Auditorium am Montagabend in St. Luzen auf diese Frage und ihre Konsequenzen für die Entwicklung der Kirche ein.

Es gehe nicht darum, das Amt in der Kirche abzuschaffen, schränkte der Theologe seine Fragestellung ein, doch es gelte, eine angemessene, bibelgemäße und zeitgemäße Begründung dafür zu geben, was „Amt“ in der Kirche sein soll.Im Gegensatz zur Tradition des 19. Jahrhunderts sei die Kirche heute bereit, diese Fragen nicht nur bis zur gültigen kirchlichen Lehre, sondern bis zu den Schriften den Neuen Testaments zurückzuverfolgen. Keine heute bestehenden christlichen Kirchen, betonte der Referent, könne ihre Amtsstruktur direkt auf das Neue Testament zurückführen.

Noch weniger sei es möglich, die Gründung einer Kirche oder die Einsetzung von Ämtern durch Jesus selbst theologisch nachzuweisen. Jesus habe im juristischen Sinn keine Kirche gegründet, doch er habe die Grundlagen dazu gelegt, indem er Frauen und Männer an seiner eigenen Sendung, das Volk Gottes zu sammeln und die kommende Gottesherrschaft zu verkünden, beteiligt hat und diese den Auftrag nach Ostern und nach Pfingsten fortgeführt haben.

Die frühen christlichen Gemeinden legten Wert darauf, sich in der Eigenart ihrer Dienste von ihrer heidnischen Umgebung abzusetzen. Es gab keine Priester und keine Opferfeiern, sondern nur Vorsteher (Presbyter) und Diener (Diakone), denn durch den Opfergang Jesu und seine Mittlerfunktion zwischen Gott und Menschen seien Priester und Opfer entbehrlich geworden. Jedem Christen wurde Charisma (Geistesgabe) zuerkannt, Funktionen in der Gemeinde zu übernehmen.Mit der Zeit bildeten sich „Dauerfunktionen“ heraus, die vor allem dieVerkündigung betrafen und mit der Leitung der Gemeinden verbunden wurden. –Ämter in der Kirche, so zog der Referent die Schlussfolgerung, drohen dann den Boden des Neuen Testaments zu verlassen, wenn durch sie ein Oben und Unten entsteht.

Ebenso problematisch seien Anleihen, die nach der Frühzeit beim Alten Testament und beim Heidentum gemacht worden seien. So gebe es heute noch viele missverständliche liturgische Texte, die suggerieren, Gott müsse durch Opfer gnädig gestimmt werden. Kern der Botschaft Jesu sei, so betonte derTheologe, dass „das Ja Gottes zum Menschen steht, dass es nicht unserer Anstrengung bedarf, den Heilsplan Gottes zu verwirklichen.“

Als Modell für eine neue Strukturierung der Gemeinden empfahl Hilberath, eine Vielzahl an grundsätzlich gleichwertigen Diensten zuzulassen, die gemeinsam die Aufgaben der Verkündigung, des Gottesdienstes und des sozialen Dienstes erfüllen. Einen Ordinierten Dienst – nicht Priester – der durch Weihe und Amtseinsetzung für dieses Amt bestimmt, aber dennoch durch die Gemeinde gewählt sein kann, weist er die Funktion zu, in der Öffentlichkeit zurepräsentieren, dass Kirche „nicht aus sich selbst und nicht für sich selbst lebt“,sondern allein durch Christus ihre Legitimation bezieht. In dieser Funktion obliege dem ordinierten Dienst der Vorsitz bei der Eucharistiefeier und die geistliche Begleitung aller Aktivitäten der Gemeinde.

In der anschließenden Aussprache ging der Referent ausführlich auf die vielen Detailfragen ein. Den Beifall der Zuhörer erhielt er für sein uneingeschränktes Eintreten für die Weihe und Zulassung von Frauen zu den kirchlichen Ämtern:„Gott ist Mensch, nicht Mann geworden!“ Den Zölibat möchte er als freiwillig gewählte Lebensform respektiert, aber nicht zur Pflicht gemacht wissen. ank

Lieber Mitbruder, machen wir uns zur Entfaltung unseres Priestertums und zur Fruchtbarmachung unseres priesterlichen Amtes die Vorschriften der Kirche vollkommen zu eigen, wie sie im Kodex des Jahres 1917 in den Canones 124-125 und 135 verpflichtend vorgeschrieben sind:

Die Kleriker sollen das innere geistliche Leben mehr pflegen als die Laien und sich dementsprechend auch nach außen benehmen, so dass sie in Gesinnung und Lebenswandel für die Laien vorbildlich sind (can. 124).

Kleriker, welche die Höheren Weihen empfangen haben, sind verpflichtet, täglich das Brevier vollständig zu beten. Beim pflichtgemäßen Breviergebet müssen sich die Kleriker an die für sie approbierten liturgischen Bücher halten (can.135).

Die Ortsordinarien sollen Sorge tragen, dass die Kleriker, die im Folgenden genannten geistlichen Übungen pflegen: 1. Dass alle Kleriker im Sakrament der Beichte häufig ihr Gewissen von Sünden reinigen; 2. dass alle Kleriker täglich eine Zeitlang betrachten [die Jurisprudenz spricht von wenigstens einer halben Stunde), das Allerheiligste besuchen, den Rosenkranz beten und der Gewissenserforschung obliegen. (can. 125)

Nochmals möchte ich Sie herzlich darum bitten, für unser bevorstehendes Generalkapitel zu beten durch die Anrufung des Heiligen Geistes, der allerseligsten Jungfrau Maria und des hl. Pius X. und dieses Ereignis täglich in Ihren Messkelch hineinzulegen.

Mit brüderlichen Gruß im Ewigen Hohenpriester und seiner hochheiligen Mutter, Ihr

P. Franz Schmidberger

Priesterrundbrief Nr. 50-September 2018