Der aktuelle Wochenbrief (Nr. 19/2024)
von H. H. Pater Andreas Jeindl
Liebe Gläubige,
Herz Jesu, im Schoße der jungfräulichen Mutter vom Heiligen Geiste gebildet, erbarme dich unser.
Das Herz, das erste Organ, das sich bildet
Aristoteles mag in der heutigen Zeit vor allem als berühmter Philosoph bekannt sein. Zu seiner Zeit aber zählte er zu den sehr wenigen Gelehrten, die in fast allen Gebieten bis an die Grenzen des Wissens vordrangen. So untersuchte er schon im 4. Jahrhundert vor Christus die Lebewesen der Erde und kam zu einer erstaunlichen Feststellung, die bis heute nur bestätigt wurde: Das erste Organ, das in einem Lebewesen entsteht, ist das Herz.
Jahrhunderte später sollte ein Herz entstehen, als erstes Organ eines Menschen, der weit mehr als nur ein Mensch war: Es war das Herz unseres Herrn Jesus Christus, das im Schoße seiner jungfräulichen Mutter Gestalt annahm, und zu dem Herz werden sollte, das die ganze Menschheit erlösen wird. In der Adventszeit werden wir von der Kirche eingeladen, vor allem das Geheimnis der Menschwerdung zu betrachten um uns innerlich auf Weihnachten vorzubereiten. Eine Anrufung in der Herz- Jesu Litanei lässt uns sehr tief in dieses Geheimnis blicken: Herz Jesu, im Schoße der jungfräulichen Mutter vom Heiligen Geiste gebildet.
Vom Heiligen Geist: Der Geist der schenkenden Liebe
Die Menschwerdung ist ein Werk der Liebe, und der Heilige Geist ist die personhafte Liebe selbst. Darum wird dieses Werk vor allem Ihm zugesprochen. Ein wahres Geschenk entspringt immer der Liebe. Bei jedem Geschenk kommt es vor allem auf die Gesinnung an. Gott sieht auf das Herz. Wer viel gibt, aber ohne Liebe, gibt in Wirklichkeit nichts. Wer wenig gibt, aber aus aufrichtiger Liebe, der gibt sehr viel.
Die jungfräuliche Mutter: empfangende Liebe
Schenkende Liebe drängt sich nicht auf. Es braucht auch eine empfangende Liebe, die das Geschenk dankend annimmt. Wer war der Empfänger der schenkenden Liebe Gottes? Die ganze Menschheit. Aber die einzelnen Menschen, die ganze Menschheit konnte nicht vor Gott hintreten - die einen waren ferne von Gott, die anderen waren noch nicht zur Existenz gelangt; darum wählte Gott aus der Menschheit einen würdigen Stellvertreter, der im Namen aller das Jawort geben sollte - das Jawort der Annahme der schenkenden Liebe. Die Allerseligste Jungfrau Maria hat als Repräsentantin der ganzen Menschheit diese Zustimmung gegeben. Durch ihre Zustimmung nahm der Sohn Gottes die menschliche Natur an.
Die Unbefleckte Empfängnis: herabziehende Liebe
Und warum hat Gott gerade Maria erwählt? Weil sie - gewiß aus Gnade - als die unbefleckt empfangene Jungfrau ganz rein die empfangende Liebe vollkommen darstellen konnte. Sie ist das vollkommene Ideal eines Menschen, wie Gott sich ihn vorgestellt hat. Sie war die Einzige, die schon vom ersten Augenblick ihrer Existenz Gott ganz wohlgefällig war. Sie ist voll der Gnade, um eine würdige Wohnstätte für die zweite göttliche Person zu sein. Wie Christus als Sohn Gottes "im Schoß des Vaters" ist, wird er als Menschensohn "im Schoß der jungfräulichen Mutter" gebildet.
Das Herz Jesu als Frucht der geschenkten und empfangenden Liebe
Das Ergebnis der schenkenden und empfangenden Liebe ist das Herz Jesu - ein menschliches Herz mit allen Empfindungen und Gefühlen, zugleich das Herz der zweiten göttlichen Person. Es ist das größte Geschenk, das der Menschheit je gemacht wurde. Wenn zwei solche Kräfte zusammenwirken - der Heilige Geist und die jungfräuliche Magd des Herrn - entsteht eine Frucht, die alles menschliche Ermessen übersteigt.
Das Herz ist das erste Organ, das bei jeder Menschwerdung gebildet wird, und es symbolisiert die Liebe, die der Motor allen Lebens ist. Im Herzen Jesu finden wir den Gipfel aller wahren Liebe, sowohl der menschlichen als auch der göttlichen. Es begann zu schlagen aber unter einem Herzen, das völlig unbefleckt war, das Herz der allerseligsten Jungfrau Maria.
Mit priesterlichem Segensgruß
P. A n d r e a s J e i n d l